Sutras


Das Prajnaparamita-Hridaya-Sutra (Herz-Sutra)

Sutra über das bewusste Atmen

Sutra über die Vier Verankerungen der Achtsamkeit

Sutra über die Kenntnis vom besseren Weg, allein zu leben

 

Das Prajnaparamita-Hridaya-Sutra
(Herz-Sutra)

Der Bodhisattva Avalokiteshvara,
tief im Strom vollkommenen Verstehens,
erhellte die fünf Skandhas
und fand sie gleichermaßen leer.
Dies durchdringend überwand er alles Leiden.

(Glocke)

Höre, Shariputra,
Form ist Leerheit, Leerheit ist Form,
Form ist nichts anderes als Leerheit,
Leerheit ist nichts anderes als Form.
Dasselbe gilt für Empfindungen,
Wahrnehmungen, geistige Formkräfte und Bewußtsein.

(Glocke)

Höre, Shariputra,
alle Dinge sind durch Leerheit gekennzeichnet.
Weder entstehen sie, noch vergehen sie,
sie sind weder rein noch unrein,
weder werden sie größer, noch werden sie kleiner.
Daher gibt es in der Leerheit weder Form
noch Empfindung, noch Wahrnehmung,
noch geistige Formkraft, noch Bewußtsein;
kein Auge, kein Ohr, keine Nase, keine Zunge,
keinen Körper, keinen Geist;
keine Form, keinen Klang, keinen Geruch, keinen Geschmack,
kein Berührbares, kein Objekt des Geistes;
keinen Bereich der Elemente
(von den Augen bis zum Geist-Bewußtsein);
kein bedingtes Entstehen
und kein Erlöschen des bedingten Entstehens
(von Unwissenheit bis zu Tod und Verfall);
kein Leiden, keinen Ursprung des Leidens,
kein Ende des Leidens und keinen Weg;
kein Verstehen, kein Erlangen.

(Glocke)

Weil es kein Erlangen gibt,
finden die Bodhisattvas,
in vollkommenem Verstehen ruhend,
keine Hindernisse in ihrem Geist.
Keine Hindernisse erlebend, überwinden sie die Angst,
befreien sich selbst für immer von Täuschung
und verwirklichen vollkommenes Nirvana.
Alle Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
erlangen dank dieses vollkommenen Verstehens
volle, wahre und universale Erleuchtung.

(Glocke)

Daher sollte man wissen, daß vollkommenes Verstehen
das höchste Mantra ist, das Mantra ohnegleichen,
das alles Leiden aufhebt, die unzerstörbare Wahrheit.
Das Mantra der Prajnaparamita sollte daher verkündet werden.
Dies ist das Mantra:

Gate gate paragate
parasamgate
bodhi svaha.

Gate gate paragate
parasamgate
bodhi svaha.

Gate gate paragate
parasamgate
bodhi svaha.

(drei Glockenklänge)


Japanische Rezitation: »Hannya Shingyo«

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Sutra über das bewusste Atmen
(Auszug)

So habe ich gehört:
Zu jener Zeit weilte der Buddha in Savatthi im Östlichen Park, gemeinsam mit vielen wohlbekannten und vielseitig gebildeten Schülern.
In dieser Nacht war Vollmond. Der Buddha, der Erhabene, Vollerwachte, hatte unter freiem Himmel Platz genommen, und seine Schüler, die Bhikkhus, versammelten sich um ihn. Er blickte auf die Versammlung der Mönche und begann dann zu sprechen:
"Ehrwürdige Bhikkhus, unsere Gemeinschaft ist rein und gut. In ihrem Innersten ist sie ohne nutzloses und überhebliches Gerede, daher verdient sie, Spenden und Gaben zu empfangen und als Feld der Verdienste betrachtet zu werden. Eine solche Gemeinschaft ist selten, und jeder Pilger, der sie aufsucht, wird ihre Achtbarkeit erkennen, wie weit auch immer er zu reisen hatte.
Oh, Bhikkhus, die Methode des achtsamen Atmens wird, wenn sie fortwährend entfaltet und geübt wird, reiche Früchte tragen und großen Nutzen bringen. Sie wird zu Erfolg in der Übung der Vier Verankerungen der Achtsamkeit führen. Wenn die Methode der Vier Verankerungen der Achtsamkeit fortwährend entfaltet und geübt wird, wird sie zu Erfolg in der Übung der Sieben Faktoren des Erwachens führen. Die Sieben Faktoren des Erwachens rufen, wenn sie fortwährend entfaltet und geübt werden, Verstehen und Befreiung des Geistes hervor.
Wie aber kann die Methode des achtsamen Atmens fortwährend entfaltet und geübt werden, so dass die Übung reiche Früchte trägt und großen Gewinn bietet?
Wie folgt, ihr Bhikkhus:
Da begibt sich der Übende in den Wald oder zum Fuße eines Baumes oder an einen anderen verlassenen Ort, setzt sich im Lotussitz nieder und hält den Körper gerade aufgerichtet. Einatmend weiß er, dass er einatmet, und ausatmend weiß er, dass er ausatmet.

  1. Bei einer langen Einatmung weiß er: 'Ich atme lang ein.' Bei einer langen Ausatmung weiß er: 'Ich atme lang aus.'
  2. Bei einer kurzen Einatmung weiß er: 'Ich atme kurz ein.' Bei einer kurzen Ausatmung weiß er: 'Ich atme kurz aus.'
  3. 'Ich atme ein und nehme meinen ganzen Körper bewusst wahr. Ich atme aus und nehme meinen ganzen Körper bewusst wahr.' So ist die Übung.
  4. 'Ich atme ein und lasse meinen ganzen Körper ruhig und friedvoll werden. Ich atme aus und lasse meinen ganzen Körper ruhig und friedvoll werden.' So ist die Übung.
  5. 'Ich atme ein und empfinde ein Gefühl der Freude. Ich atme aus und empfinde ein Gefühl der Freude.' So ist die Übung.
  6. 'Ich atme ein und empfinde ein Gefühl des Glücks. Ich atme aus und empfinde ein Gefühl des Glücks.' So ist die Übung.
  7. 'Ich atme ein und nehme die Aktivitäten des Geistes in mir bewusst wahr. Ich atme aus und nehme die Aktivitäten des Geistes in mir bewusst wahr.' So ist die Übung.
  8. 'Ich atme ein und lasse die Aktivitäten meines Geistes ruhig und friedvoll werden. Ich atme aus und lasse die Aktivitäten meines Geistes ruhig und friedvoll werden.' So ist die Übung.
  9. 'Ich atme ein und nehme meinen Geist bewusst wahr. Ich atme aus und nehme meinen Geist bewusst wahr.' So ist die Übung.
  10. 'Ich atme ein und lasse meinen Geist glücklich und friedvoll werden. Ich atme aus und lasse meinen Geist glücklich und friedvoll werden.' So ist die Übung.
  11. 'Ich atme ein und konzentriere meinen Geist. Ich atme aus und konzentriere meinen Geist.' So ist die Übung.
  12. 'Ich atme ein und befreie meinen Geist. Ich atme aus und befreie meinen Geist.' So ist die Übung.
  13. 'Ich atme ein und beobachte die unbeständige Natur aller Dharmas. Ich atme aus und beobachte die unbeständige Natur aller Dharmas.' So ist die Übung.
  14. 'Ich atme ein und beobachte das Erlöschen aller Dharmas. Ich atme aus und beobachte das Erlöschen aller Dharmas.' So ist die Übung.
  15. 'Ich atme ein und betrachte die vollkommene Befreiung. Ich atme aus und betrachte die vollkommene Befreiung.' So ist die Übung.
  16. 'Ich atme ein und betrachte das Loslassen. Ich atme aus und betrachte das Loslassen.' So ist die Übung.
Wird die Methode des achtsamen Atmens in Übereinstimmung mit diesen Anweisungen fortwährend entfaltet und geübt, so wird sie reiche Früchte tragen und von großem Gewinn sein."

Auszug aus Majjhima Nikaya 118

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Sutra über die Vier Verankerungen der Achtsamkeit
(Auszug)

So habe ich gehört:
Einst weilte der Erhabene in Kammassadharma, einer Marktstadt des Kuruvolkes. Der Buddha sprach zu den Bhikkhus: "O Bhikkhus."
Und die Bhikkhus antworteten: "Ehrwürdiger Herr."
Der Buddha fuhr fort: "Bhikkhus, es gibt einen wunderbaren Weg, der den Lebewesen hilft, Läuterung zu verwirklichen, Kummer und Trauer direkt zu überwinden, Schmerz und Angst zu beenden, den rechten Pfad zu beschreiten und Nirvana zu verwirklichen. Dieser Weg besteht aus den Vier Verankerungen der Achtsamkeit.
Welches sind nun diese Vier Verankerungen?

  1. Bhikkhus, ein Übender bleibt bei der Betrachtung des Körpers im Körper verankert, beharrlich, mit klarer Einsicht, achtsam, und er hat alle Begierden und allen Abscheu gegen dieses Dasein losgelassen.
  2. Er bleibt bei der Betrachtung der Gefühle in den Gefühlen verankert, beharrlich, mit klarer Einsicht, achtsam, und er hat alle Begierden und allen Abscheu gegen dieses Dasein losgelassen.
  3. Er bleibt bei der Betrachtung des Geistes im Geist verankert, beharrlich, mit klarer Einsicht, achtsam, und er hat alle Begierden und allen Abscheu gegen dieses Dasein losgelassen.
  4. Er bleibt bei der Betrachtung der Geistobjekte in den Geistobjekten verankert, beharrlich, mit klarer Einsicht, achtsam, und er hat alle Begierden und allen Abscheu gegen dieses Dasein losgelassen.
Der Übende ist sich, wenn er geht, bewusst: 'Ich gehe.' Wenn er steht, ist er sich bewusst: 'Ich stehe.' Wenn er sitzt, ist er sich bewusst: 'Ich sitze.' Wenn er liegt, ist er sich bewusst: 'Ich liege.' In welcher Haltung sich sein Körper auch immer befinden mag, der Übende ist sich dieser Haltung seines Körpers bewusst.
Weiterhin lenkt der Übende, wenn er vorwärts oder rückwärts geht, seine ganze Aufmerksamkeit auf sein Vorwärts- oder Rückwärtsgehen. Schaut er nach vorne oder nach hinten, beugt er sich nieder oder steht er auf, so lenkt er ebenfalls seine ganze Aufmerksamkeit auf das, was er gerade tut. Er lenkt seine ganze Aufmerksamkeit auf das Tragen des Sanghati-Gewandes oder das Halten der Almosenschale. Wenn er isst oder trinkt, kaut oder das Essen schmeckt, lenkt er seine ganze Aufmerksamkeit jeweils auf diese Verrichtungen. Hat er Stuhlgang oder uriniert er, so lenkt er seine ganze Aufmerksamkeit darauf. Wenn er geht, steht, liegt, sitzt, schläft oder aufwacht, spricht oder schweigt, lenkt er seine Aufmerksamkeit jeweils auf diese Verrichtungen.
Bhikkhus, stellt euch einen Sack vor, den man an beiden Enden öffnen kann und der verschiedene Getreide und Samen enthält: braunen Reis, wilden Reis, Mungobohnen, Kidneybohnen, Sesam und weißen Reis. Wenn jemand, der scharfe Augen hat, diesen Sack öffnet, wird er das, was er sieht, so beschreiben: 'Dies ist brauner Reis, dies ist wilder Reis, dies sind Mungobohnen, dies sind Kidneybohnen, dies ist Sesam, und dies ist weißer Reis.' Ebenso betrachtet und beschreibt der Übende seinen ganzen von Haut umschlossenen Körper vom Scheitel bis zur Sohle: 'Hier sind die Kopfhaare, die Körperhaare, die Nägel, die Zähne, die Haut, das Fleisch, die Muskeln und Sehnen, die Knochen, das Knochenmark, die Nieren, das Herz, die Leber, das Zwerchfell, die Milz, die Lungen, der Darm, die Blase, der Kot, die Galle, der Schleim, die Ausscheidungen, der Eiter, das Blut, der Schweiß, das Fett, die Tränen, der Speichel, die Gelenkflüssigkeit, der Urin.'
Auf diese Weise bleibt der Übende bei der Betrachtung des Körpers im Körper verankert. Er betrachtet seinen Körper von innen oder von außen oder gleichzeitig von innen und außen. Er beobachtet den Prozess des Entstehens im Körper oder den Prozess des Vergehens im Körper oder gleichzeitig den Prozess des Entstehens und Vergehens. Oder er lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache 'Dies hier ist ein Körper', bis Einsicht und volle Bewusstheit entstehen. Er bleibt in der Beobachtung verankert, frei und ohne sich von weltlichen Betrachtungen ablenken zu lassen. So wird die Betrachtung des Körpers im Körper geübt, ihr Bhikkhus.
Weiterhin vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam. Er stellt sich vor, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird und wie er dort einen, zwei oder drei Tage liegt aufgebläht, bläulich verfärbt und stinkend, und er sagt sich: 'Mein Körper hier hat dieselbe Natur. Er wird ebenso enden, und es gibt keine Möglichkeit, dem zu entgehen.'
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie Krähen an ihm herumpicken, wie er von Habichten, Geiern und Schakalen angenagt und von Maden und Würmern befallen wird, und er sagt sich: 'Mein Körper hier hat dieselbe Natur. Er wird ebenso enden, und es gibt keine Möglichkeit, dem zu entgehen.'
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie er nur noch ein Skelett ist, an dem noch etwas Fleisch und Blut kleben; die Knochen werden von den Bändern zusammengehalten, und er sagt sich: 'Mein Körper hier hat dieselbe Natur. Er wird ebenso enden, und es gibt keine Möglichkeit, dem zu entgehen.'
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie er nur noch ein Skelett ist, an dem kein Fleisch mehr, aber immer noch ein wenig Blut klebt. Die Knochen werden von den Bändern zusammengehalten.
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie er nur noch ein Skelett ist, an dem weder Fleisch noch Blut kleben, aber die Knochen werden immer noch von den Bändern zusammengehalten.
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie er nur noch eine Ansammlung von Knochen ist, die überall verstreut liegen; hier ein Handknochen, dort ein Schienbeinknochen, ein Oberschenkelknochen, das Becken, die Wirbelsäule, der Schädel.
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie alles, was geblieben ist, ein Haufen ausgeblichener Knochen ist, welche die Farbe von Muscheln angenommen haben.
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie er nun bereits über ein Jahr dort liegt und alles, was geblieben ist, ein Haufen ausgedörrter Knochen ist.
Sodann vergleicht der Übende seinen Körper mit einem Leichnam, wobei er sich vorstellt, wie dieser Leichnam auf ein Leichenfeld geworfen wird, wie alles, was letztlich geblieben ist, der Staub der zerfallenen Knochen ist, und er sagt sich: 'Mein Körper hier hat dieselbe Natur. Er wird ebenso enden, und es gibt keine Möglichkeit, dem zu entgehen.'
Auf diese Weise bleibt der Übende bei der Betrachtung des Körpers im Körper verankert. Er betrachtet seinen Körper von innen oder von außen oder gleichzeitig von innen und außen. Er beobachtet den Prozess des Entstehens im Körper oder den Prozess des Vergehens im Körper oder gleichzeitig den Prozess des Entstehens und Vergehens. Oder er lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache: 'Dies hier ist ein Körper', bis Einsicht und volle Bewusstheit entstehen. Er bleibt in der Beobachtung verankert, frei und ohne sich von weltlichen Betrachtungen ablenken zu lassen. So wird die Betrachtung des Körpers im Körper geübt, ihr Bhikkhus.

Bhikkhus, wie bleibt ein Übender bei der Betrachtung der Gefühle in den Gefühlen verankert? Jedesmal, wenn der Übende ein angenehmes Gefühl verspürt, ist er sich bewusst: 'Ich verspüre ein angenehmes Gefühl. 'Jedesmal, wenn er ein unangenehmes Gefühl verspürt, ist er sich bewusst: 'Ich verspüre ein unangenehmes Gefühl. 'Jedesmal, wenn er ein Gefühl verspürt, das weder angenehm noch unangenehm ist, ist er sich bewusst: 'Ich verspüre ein neutrales Gefühl.'
Auf diese Weise bleibt der Übende bei der Betrachtung der Gefühle in den Gefühlen verankert. Er betrachtet seine Gefühle von innen oder von außen oder gleichzeitig von innen und außen. Er beobachtet den Prozess des Entstehens in den Gefühlen oder den Prozess des Vergehens in den Gefühlen oder gleichzeitig den Prozess des Entstehens und Vergehens. Oder er lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache 'Dies hier ist ein Gefühl', bis Einsicht und volle Bewusstheit entstehen. Er bleibt in der Beobachtung verankert, frei und ohne sich von weltlichen Betrachtungen ablenken zu lassen. So wird die Betrachtung der Gefühle in den Gefühlen geübt, ihr Bhikkhus.

Bhikkhus, wie bleibt ein Übender bei der Betrachtung des Geistes im Geist verankert? Wenn sein Geist etwas begehrt, ist sich der Übende bewusst: 'Mein Geist begehrt etwas.' Wenn sein Geist nichts begehrt, weiß der Übende: 'Mein Geist begehrt nichts.' Ist sein Geist hasserfüllt, ist er sich bewusst: 'Mein Geist ist hasserfüllt.' Ist sein Geist frei von Hass, ist er sich bewusst: 'Mein Geist ist frei von Hass.' Wenn sich sein Geist in einem Zustand der Unwissenheit befindet, ist er sich bewusst: 'Mein Geist befindet sich in einem Zustand der Unwissenheit.' Wenn sein Geist sich nicht in einem Zustand der Unwissenheit befindet, ist er sich bewusst: 'Mein Geist befindet sich nicht in einem Zustand der Unwissenheit.' Ist sein Geist frei, ist er sich bewusst: 'Mein Geist ist frei.' Ist sein Geist nicht frei, ist er sich bewusst: 'Mein Geist ist nicht frei.'
Auf diese Weise bleibt der Übende bei der Betrachtung des Geistes im Geist verankert. Er betrachtet seinen Geist von innen oder von außen oder gleichzeitig von innen und außen. Er beobachtet den Prozess des Entstehens in seinem Geist oder den Prozess des Vergehens in seinem Geist oder gleichzeitig den Prozess des Entstehens und Vergehens. Oder er lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache 'Dies hier ist Geist', bis Einsicht und volle Bewusstheit entstehen. Er bleibt in der Beobachtung verankert, frei und ohne sich von weltlichen Betrachtungen ablenken zu lassen. So wird die Betrachtung des Geistes im Geist geübt, ihr Bhikkhus.

Bhikkhus, wie bleibt der Übende bei der Betrachtung der Geistobjekte in den Geistobjekten verankert? Zunächst einmal betrachtet er die Geistobjekte in den Geistobjekten im Hinblick auf die Fünf Hindernisse.

  1. Wenn sinnliches Begehren in ihm ist, ist er sich bewusst: 'In mir ist sinnliches Begehren.' Wenn kein sinnliches Begehren in ihm ist, ist er sich bewusst: 'In mir ist kein sinnliches Begehren.'
  2. Wenn Wut in ihm ist, ist er sich bewusst: 'In mir ist Wut.' Wenn keine Wut in ihm ist, ist er sich bewusst: 'In mir ist keine Wut.'
  3. Wenn Trägheit und Schläfrigkeit in ihm sind, ist er sich bewusst: 'In mir sind Trägheit und Schläfrigkeit.' Wenn keine Trägheit und Schläfrigkeit in ihm sind, ist er sich bewusst: 'In mir sind keine Trägheit und Schläfrigkeit.'
  4. Wenn Unruhe in ihm ist, so ist er sich bewusst: 'In mir ist Unruhe.' Wenn keine Unruhe in ihm ist, so ist er sich bewusst: 'In mir ist keine Unruhe.'
  5. Wenn Zweifel in ihm sind, ist er sich bewusst: 'In mir sind Zweifel.' Wenn keine Zweifel in ihm sind, ist er sich bewusst: 'In mir sind keine Zweifel.'
Auf diese Weise bleibt der Übende bei der Betrachtung der Geistobjekte in den Geistobjekten verankert. Er betrachtet die Geistobjekte von innen oder von außen oder gleichzeitig von innen und außen. Er beobachtet den Prozess des Entstehens in den Geistobjekten oder den Prozess des Vergehens in den Geistobjekten oder gleichzeitig den Prozess des Entstehens und Vergehens. Oder er lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Tatsache 'Dies hier ist ein Geistobjekt', bis Einsicht und volle Bewusstheit entstehen. Er bleibt in der Beobachtung verankert, frei und ohne sich von weltlichen Betrachtungen ablenken zu lassen. So wird die Betrachtung der Geistobjekte in den Geistobjekten geübt, ihr Bhikkhus.
Weiterhin betrachtet der Übende die Geistobjekte in den Geistobjekten im Hinblick auf die fünf Skandhas, die sechs Sinnesorgane und die sechs Sinnesobjekte. Er ist sich der Augen bewusst, und er ist sich der Form bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen. Er ist sich der Geburt einer neuen inneren Fessel bewusst, und er ist sich des Loslassens von zuvor entstandenen inneren Fesseln bewusst, und er ist sich bewusst, wenn eine bereits losgelassene innere Fessel in Zukunft nicht mehr entstehen wird.
Der Übende ist sich der Ohren bewusst, und er ist sich des Klanges bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen. Er ist sich der Nase bewusst, und er ist sich des Geruches bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen. Er ist sich der Zunge bewusst, und er ist sich des Geschmackes bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen. Er ist sich des Körpers bewusst, und er ist sich des berührten Objektes bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen. Er ist sich des Geistes bewusst, und er ist sich der Objekte des Geistes bewusst, und er ist sich der inneren Fesseln bewusst, die in Abhängigkeit von diesen beiden Gegebenheiten entstehen.
Bhikkhus, wer die Vier Verankerungen der Achtsamkeit sieben Jahre praktiziert, kann als Frucht seiner Bemühung eines von beiden erwarten: das höchste Verstehen noch in diesem Leben zu verwirklichen oder, wenn noch ein Rest von Trübung bleibt, die Frucht der Nicht-Wiederkehr zu erlangen. Wer diese Vier Verankerungen der Achtsamkeit auch nur für eine Woche praktiziert, kann als Frucht seiner Bemühung eines von beiden erwarten: das höchste Verstehen noch in diesem Leben zu verwirklichen oder, wenn noch ein Rest von Trübung bleibt, die Frucht der Nicht-Wiederkehr zu erlangen. Deshalb habe ich gesagt, dass dieser Pfad der Vier Verankerungen der Achtsamkeit der wunderbarste Pfad ist, der den Lebewesen hilft, Läuterung zu erreichen, Kummer und Trauer zu überwinden, Ängste und Schmerzen zu zerstreuen, den rechten Pfad zu beschreiten und Nirvana zu erlangen."
Die Bhikkhus waren höchst erfreut, diese Belehrung des Buddha zu hören. Sie nahmen sie sich zu Herzen und setzten sie in die Praxis um.

Majjhima Nikaya 10

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Sutra über die Kenntnis vom besseren Weg, allein zu leben

So habe ich gehört:
Einst weilte der Buddha im Kloster des Jeta-Hains in der Stadt Savatthi. Er rief alle Mönche zu sich und unterwies sie: "Bhikkhus!"
Die Bhikkhus antworteten: "Ja, Erhabener!"
Und der Erhabene sprach: "Ich möchte euch lehren, was es heißt, den 'besseren Weg kennen, allein zu leben'. Ich werde mit einem Überblick über die Lehre beginnen und sie danach genauer erläutern. Bhikkhus, bitte hört aufmerksam zu."
"Erhabener, wir hören dir zu." Der Buddha lehrte:

"Laufe nicht der Vergangenheit nach.
Verliere dich nicht in der Zukunft.
Die Vergangenheit ist nicht mehr.
Die Zukunft ist noch nicht gekommen.
Das Leben, wie es hier und jetzt ist,
eingehend betrachtend,
weilt der Übende
in Festigkeit und Freiheit.
Es gilt, uns heute zu bemühen.
Morgen ist es schon zu spät.
Der Tod kommt unerwartet.
Wie könnten wir mit ihm handeln?
Der Weise nennt jemanden, der es versteht,
Tag und Nacht
in Achtsamkeit zu weilen,
'jemanden, der
den besseren Weg kennt, allein zu leben.'

Bhikkhus, was meinen wir mit 'der Vergangenheit nachlaufen'? Wenn eine Person sich Gedanken darüber macht, wie ihr Körper in der Vergangenheit war, wie ihre Gefühle in der Vergangenheit waren, wie ihre Wahrnehmungen in der Vergangenheit waren, wie ihre Geistesregungen in der Vergangenheit waren, wie ihr Bewusstsein in der Vergangenheit war; wenn eine Person über diese Dinge nachdenkt, ihren Geist damit belastet und sie diesen Dingen, die der Vergangenheit angehören, verhaftet bleibt, dann läuft diese Person der Vergangenheit nach.
Bhikkhus, was meinen wir mit 'nicht der Vergangenheit nachlaufen'? Wenn eine Person sich Gedanken darüber macht, wie ihr Körper in der Vergangenheit war, wie ihre Gefühle in der Vergangenheit waren, wie ihre Wahrnehmungen in der Vergangenheit waren, wie ihre Geistesregungen in der Vergangenheit waren, wie ihr Bewusstsein in der Vergangenheit war; wenn eine Person über diese Dinge zwar nachdenkt, ihr Geist jedoch weder von diesen Dingen versklavt noch ihnen verhaftet ist, dann läuft diese Person der Vergangenheit nicht nach.
Bhikkhus, was meinen wir mit 'sich in der Zukunft verlieren'? Wenn eine Person sich Gedanken darüber macht, wie ihr Körper in der Zukunft sein wird, wie ihre Gefühle in der Zukunft sein werden, wie ihre Wahrnehmungen in der Zukunft sein werden, wie ihre Geistesregungen in der Zukunft sein werden, wie ihr Bewusstsein in der Zukunft sein wird; wenn eine Person über diese Dinge nachdenkt, ihren Geist damit belastet und sie tagträumend mit diesen Dingen, die der Zukunft angehören, beschäftigt ist, dann verliert sich diese Person in der Zukunft.
Bhikkhus, was meinen wir mit 'sich nicht in der Zukunft verlieren'? Wenn eine Person sich Gedanken darüber macht, wie ihr Körper in der Zukunft sein wird, wie ihre Gefühle in der Zukunft sein werden, wie ihre Wahrnehmungen in der Zukunft sein werden, wie ihre Geistesregungen in der Zukunft sein werden, wie ihr Bewusstsein in der Zukunft sein wird; wenn eine Person über diese Dinge nachdenkt, ihren Geist aber nicht damit belastet und sie nicht tagträumend mit diesen Dingen, die der Zukunft angehören, beschäftigt ist, dann verliert sich diese Person nicht in der Zukunft.
Bhikkhus, was ist gemeint mit 'sich von der Gegenwart hinwegtreiben lassen'? Wenn eine Person nichts studiert oder nichts lernt über den Erwachten oder über die Lehren der Liebe und des Verstehens oder über die Gemeinschaft, die in Harmonie und Achtsamkeit lebt; wenn eine Person nichts über die edlen Lehrer und ihre Lehren weiß, diese Lehren nicht praktiziert und denkt: 'Dieser Körper, das bin ich. Ich bin dieser Körper. Diese Gefühle, das bin ich. Ich bin diese Gefühle. Diese Wahrnehmungen, das bin ich. Ich bin diese Wahrnehmungen. Diese Geistesregungen, das bin ich. Ich bin diese Geistesregungen. Dieses Bewusstsein, das bin ich. Ich bin dieses Bewusstsein', dann lässt sich diese Person von der Gegenwart hinwegtreiben.
Bhikkhus, was ist gemeint mit 'sich nicht von der Gegenwart hinwegtreiben lassen'? Wenn eine Person über den Erwachten studiert und lernt oder über die Lehren der Liebe und des Verstehens oder über die Gemeinschaft, die in Harmonie und Achtsamkeit lebt; wenn eine Person die edlen Lehrer und ihre Lehren kennt, diese Lehren praktiziert und nicht denkt: 'Dieser Körper, das bin ich. Ich bin dieser Körper. Diese Gefühle, das bin ich. Ich bin diese Gefühle. Diese Wahrnehmungen, das bin ich. Ich bin diese Wahrnehmungen. Diese Geistesregungen, das bin ich. Ich bin diese Geistesregungen. Dieses Bewusstsein, das bin ich. Ich bin dieses Bewusstsein', dann wird diese Person sich nicht von der Gegenwart hinwegtreiben lassen.
Bhikkhus, damit habe ich euch einen Überblick und eine genaue Erläuterung gegeben, was es heißt, den besseren Weg zu kennen, allein zu leben."
So lehrte der Buddha, und die Bhikkhus waren erfreut, seine Lehren in die Praxis umzusetzen.

Bhaddekaratta Sutta (Majjhima Nikaya 131)

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